Auf einer Serviette habe ich ihn mir abgeschrieben, den Gedanken einer jungen Quantenphysikerin, der mich in den Bann gezogen hat:
„Wir sind es gewohnt, dass Ereignisse in einer gewissen Reihenfolge stattfinden, A verursacht B oder umgekehrt. Doch in der Quantenphysik ist es möglich, dass A und B sich gegenseitig verursachen, man kann den Ereignissen keine Reihenfolge geben. Und zwar nicht, weil man die Reihenfolge nicht kennt, sondern weil sie fundamental unmöglich ist“.
Bamm! Das sitzt. Ich habe das im Kaffeehaus in einer Zeitung aufgeschnappt. Die Dame ist 31 Jahre jung, heisst Yelena Juryanova und forscht an der Akademie der Wissenschaften in Wien. Lies‘ dir das ruhig noch einmal durch: ‚zwei Ereignisse können einander gegenseitig verursachen‘, woher kommen sie dann? Was hat sie verursacht? Was hat den Anstoss gegeben? Und das Ganze nicht, weil man noch nicht so weit ist, das zu verstehen, sondern weil es ‚fundamental‘ nicht anders sein kann!
Nicht anders sein kann? Es kann laut Quantenphysik gar nicht anders sein, als dass es keine Ursache gibt? Dass Dinge aus sich selbst heraus entstehen? Einfach da sind? Das stellt doch unser normales Denken auf den Kopf, oder nicht? Nun sind Quantenphysiker keine Spinner, die sich irgendetwas ausdenken, die drauflos herumphilosophieren, sondern Leute, die mit mathematischen Formeln hantieren. Ich habe mir auf Youtube Videos dieser Dame angesehen, und da gibt es tatsächlich die überlange Schreibtafel an der Wand, die vollgekritzelt mit unverständlichen Formeln ist. Die verwenden also genau das Werkzeug, das uns als das unbestechlichste, exakteste gilt, die Mathematik. Und eben diese Mathematik kommt zu solchen Schlußfolgerungen, dass es nämlich in der kleinsten unserer Welten, in der Welt der Quanten, aus denen alles ist, aus dem auch wir selbst bestehen, in meinem persönlichen Innersten also, so und nicht anders ist.
Was ist das für eine Welt, was für eine Wirklichkeit? Ist das die ‚wahre Wirklichkeit‘ von der die alten indischen Schriften des Buddhismus reden und auch die chinesischen und japanischen? Das, wovon die großen Zen-Meister sagen, dass man es nicht ausdrücken kann, das vor jedem begrifflichen Wort da ist?
Im Lankavatarasutra, einem sehr ausführlichen Lehrtext des indischen Buddhismus aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert habe ich folgende Passage gefunden:
„Diejenigen, für die die Welt durch Ursachen und Bedingungen entsteht, hängen an diesen Begriffen …. und verstehen meine Lehre nicht. Man kann die Welt weder als nichtseiend noch als seiend noch als seiend-und-nichtseiend beschreiben, wie sie von den Törichten durch Ursachen und Bedingungen unterschieden wird. Wenn die Welt als weder seiend, noch nichtseiend noch als seiend-und-nichtseiend gesehen wird, dann erfolgt eine Veränderung im Geiste und die Ichlosigkeit ist erreicht. …“
Hhhmm … Erkenntnisse der modernen Quantenphysik schon in ‚alten‘, durch Meditation und tiefe Versenkung erlangten Anschauungen? Es scheint so …
Quelle: Lankavatarasutra – Die makellose Wahrheit erschauen – Die Lehre von der höchsten Bewußtheit und absoluten Erkenntnis – Erstmals aus dem Sanskrit übersetzt von Karl-Heinz Golzio, O.W. Barth Verlag, 1995 sowie mein Audio Podcast anchor.fm/lankavatarasutra