Heute habe ich zufällig im Auto einer Geschichte gelauscht. Einer Geschichte von einem bosnischen Autor, der in unserer Zeit lebt. Ich versuche, sie aus dem Gedächtnis wieder zu geben.
Sarajevo zur Zeit des Jugoslawienkrieges. Man wußte, dass sich etwas zusammenbraut, aber es schien gefährlich, zu zeigen, dass man das ahnte. Als die Raketen einschlugen begab man sich in den Keller, und als man wieder rauskam, sah man wie im eigenen Haus links und rechts tiefe Löcher waren. Und die Kellerfenster waren geborsten. Denn man durfte ja seine Vorahnung nicht zeigen, indem man Sacksäcke davor legte. Das wäre gefährlich gewesen.
Jetzt aber wo rundum Schutt und Asche waren, schien das nicht mehr so wichtig, aber wer weiß? Die nahe Moschee war total zerstört, niemand weiß von wie viel Treffern. Ein Mann ging also hin um sich einen der behauenen Steinbrocken zu holen, den er vor das Kellerfenster legen konnte. Ein anderer Mann fuhr ihn an: „Was machst Du denn da, das ist die heilige Moschee!“ Er hielt wohl die Moschee für heiliger als das Leben des Mannes.
Der Iman der Moschee hörte die Konversation mit, und der Mann fragte ihn ob er den Stein nehmen dürfe? „Selbstverständlich“ sagte der Imam, „wenn dieser Stein ein Leben retten kann, dann ist er heilig“.
Auch jetzt noch, wo ich das aus dem Gedächtnis aufschreibe, berührt mich diese Geschichte. Sie ist für mich ein klares Bekenntnis zum Leben, das über allem steht, was ansonsten als „heilig“ gilt, zu allen äußeren Formen, zu allem, was wir glauben in Ehren halten zu müssen, zu allem was wir glauben Großartiges zu tun. Wenn es darauf ankommt zählt nur eines, das Leben. Das ist heilig.
Als Bodhidahrma vom chinesischen Kaiser gefragt wurde was denn seine heilige Lehre sei, antwortete Bodhidharma: „Das Leben, nichts Heiliges“ (freie Interpretation und Wiedergabe).
Es war Zeit, dass Du wieder zur Feder greifst!