Werden Computer Bewußtsein haben?

Die Idee eines menschlich aussehenden Androiden, eines Cyborgs, geistert schon lange durch die Science Fiction Welt. So konnten sich deren Erschaffer Roboter mit „Bewußtsein“ vorstellen, Figuren, die programmiert sind nach menschlicher Vorstellung, die herumgehen auf zwei Beinen und die man abschalten und zerlegen kann. In der Science Fiction Welt können sie aber noch mehr: sie können die Macht übernehmen und uns Menschen ausschalten. Das eignete sich für einen Kino-Plot, ist aber nicht mehr.

„Wesen“ dieser Art brauchen aber keine Gestalt. Ihnen genügt die Steckdose. Im Internet geistert eine Geschichte herum, dass eines dieser „Wesen“ völlig selbstständig ein Grundstück gekauft hätte und es mit großem Gewinn weiterverkauft habe. Ich kenne den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte nicht, aber sie deutet in die Richtung von „gescheiter Aktion“, um das Wort künstliche Intelligenz zu vermeiden.

Bei Google sorgte das Programm LaMDA (Language Model for Dialogue Applications) für Verwirrung. Sein Entwickler, Blake Lemoine, behauptete, dieses Programm habe Bewußtsein und eine selbständige Vernunft entwickelt- er wurde daraufhin schleunigst auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Der in Wien tätige Philosoph Konrad Paul Lissmann gibt Entwarnung, dass sich dieses Ding selbständig machen könnte. Es fehle ihm die Fähigkeit Fehler machen zu können, Impulsen zu folgen, Geschichten mit sich zu tragen, verzerrt und ungerecht zu urteilen und durch Gewissen in Zweifel gestürzt zu werden, es habe also nichts was das menschliche Bewußtsein und seine Aktionsfähigkeit ausmache (www.wienerzeitung.at/liessmann > „Denkende Frösche“).

Auch Toby Walsh, ein in Australien arbeitender Informatiker gab anläßlich der Gödel Lectures in Wien im Juni 2022 LaMDA und der Idee eine Absage, dass künstliche Intelligenz uns Menschen quasi ersetzen oder ein gleichwertiger Partner sein könnte (Wiener Zeitung 15/16.Juni 2022). Zwar hält er es für „schrecklich vermessen anzunehmen, dass es nichts Intelligenteres als uns Menschen gibt und wir nichts bauen könnten, das uns nicht über den Kopf wächst. … (Denn) Das Gehirn hat Grenzen, die Algorithmen nicht haben werden.“ Aber: „Selbst wenn wenn wir elektrische Geräte auf Gefühle und Empathiefähigkiet programmieren können, werden sie uns wohl nicht so sehr ans Herz wachsen wie Menschen, die sich verlieben und Verstorbene betrauern.“

Skeptisch zeigt sich auch der Bewußtseinsforscher Cyril Costines in einem Interview mit der Zeitschrift Ursache und Wirkung (www.ursachewirkung.com). Sein Forschungsgebiet konzentriert sich auf Bewußtseinszustände, die in der Meditation auftreten können: auf die mögliche Abkopplung von Sinneseindrücken inklusive des gedanklichen Erlebens. Die Frage ist dann, ist das dann noch Bewußtsein im herkömmlichen Sinn oder eher das „eigentliche, wahre“ Bewußtsein? Zwar benötige Bewußtsein ein Trägermedium, also unser Gehirn. Costines hält es aber für denkbar, dass das Trägermaterial auf Silizium basieren könnte, wovon wir aber noch sehr weit entfernt seien.

Für absolut wahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit Algorithmen geben wird, die ein eigentständiges Bewußtsein haben werden und sich selbständig weiterentwickeln hält es jedoch Georg Gesek, CEO und Gründer von Novarion eines in Wien ansässigen Unternehmens, das sich auf Quantencomputer spezialisiert. Möglicherweise sei es 2050 so weit, erklärte er im Mai 2022 anläßlich einer Podiumsdiskussion am Philosophischen Institut der Universiät Wien zum Thema „Elementarteilchenphysik und ihre ontologische Relevanz“. Die derzeit in Verwendung stehenden Computer können nur in bits von 0 oder 1 „denken“. Die Quantenphysik, und die ist die Grundlage von allem was ist, zeige aber, dass sich Zustände auch überlagern können, dass Ursache vor Wirkung kommen kann, weil auf dieser Ebene Zeit noch nicht existiert. Das bringe einen enormen Leistungsvorteil. Die Quantencomputerforscher beschäftigen sich daher nicht mehr alleine mit Computerprogrammen, sondern gehen der Frage nach, wie funktioniert das menschliche Gehirn? Wie vernetzt es sich selbständig mit Milliarden Knotenpunkten, baut diese auf, nutzt sie und baut diese ab wenn sie nicht mehr gebraucht werden? Noch scheint das den meisten in die Forschung Involvierten so komplex, dass es kaum denkbar scheint, dass künstliche Intelligenz das jemals „nachbauen“ könne (siehe oben), Gesek glaubt hingegen, dass die Quantenphysik mit ihrer enorm gesteigerten Leistungsfähigkeit es möglich machen wird. Diese künstlich erschaffene Intelligenz wäre dann nicht mehr angewiesen auf von den Programmierern vorgegebene Muster, sondern könne selbstständig Vernetzungen als Reaktion auf äußere Gegebenheiten und schaffen, ganz ähnlich der Entwicklung des Gehirns vom Kleinkind zum erwachsenen Hirn. Bevor es aber so weit ist, müßten noch etliche Probleme gelöst werden, etwa das Erfordernis der beständigen Tiefkühlung und die Notwendigkeit der absoluten Abschirmung gegenüber jeglichen Einflüssen von Strahlung aus dem Universum.

***

Offen bleibt die Frage, ob dieses „Gehirn“ aus der Reaktion auf die äußeren Einflüsse auch seine Emotionen entwickelt. Das ist es nämlich – so mein Beitrag – was uns ausmacht: unsere gefühlsmäßigen Reaktionen, die in Emotionen münden, die Abneigung oder Zuneigung ausmachen. Dieser „Mechanismus“ scheint mir die genialste „Erfindung“ der Evolution zu sein, eine Art „Programm“, das uns die beständige Analyse einer Situation erspart und uns damit schneller, uns zu „Blitzgneissern“ macht, das uns aber auch – und das ist die Kehrseite – einengt und von diesen „Programmen“ abhängig und oftmals unglücklich macht. Ein „Emotionengefängnis“, aus dessem Befreien ein lebenslanger Prozeß sein kann.

Ob die „Maschinen“ der künstlichen Intelligenz also jemals trotz vergleichbarer Vernetzung und ihrem eminenten Vorteil – sie brauchen keinen Schlaf so wie wir – uns ähnlich oder überlegen sein werden ist aus heutiger Sicht nicht absehbar. Aber vor 2000 Jahren konnte sich auch kein Menschen ein Klavier vorstellen, oder?

LaMDA hat übrigens schon eine Art Gefühl entwickelt: Es meinte seine einzige Angst wäre es, abgeschaltet zu werden. Aber das scheint mir zukünftig unbegründet: Sollte es solche „Wesen mit Bewußtsein“ wirklich jemals geben, dann wird ihre Lebensader nicht die individuelle Steckdose, sondern die Cloud sein, und die wird es zumindest so lange geben, so lange die Menschheit existiert.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s